"Wir dürfen das Vorgehen gegen die Kulturkämpfe nicht Extremisten überlassen"

Referent war Vorstandsmitglied Dirk Säufferer, der das Kompliment an den erlesenen Teilnehmerkreis zurückgab. "Wenn ich so in die Runde schaue, sind wir heute alle Charakterköpfe." Diese Bezeichnung hätte sicher auch Immanuel Kant gefallen. Dieser war sicherlich kein Kulturkämpfer, aber davon überzeugt, dass man das Los der Menschheit Schritt für Schritt verbessern könne, wenn man nur die Vernunft einschaltet und sich an den gesunden Menschenverstand hält.

Der Referent hatte eine abwechslungsreiche, unterhaltsame Kurzvorstellung der Geschichte der Kulturkämpfe vorbereitet. Eines der wichtigsten Ergebnisse lautet: Der aktuelle Kulturkampf um die Politisierung unserer Sprache muss mit Anstand beendet werden. Dieser Kulturkampf wurzelt tief in den Kulturkämpfen des 19. Jahrhunderts. Bereits damals spalteten sie die Mitte der Gesellschaft und warfen die Modernisierung des Landes um Jahrzehnte zurück.

Kulturkämpfe ebneten in der Menschheitsgeschichte immer wieder grausamen Gewaltherrschaften den Weg, so auch der Terrorherrschaft der Jakobiner in der französischen Revolution oder Maos Willkürherrschaft in der chinesischen "Kulturrevolution". Kulturkämpfe stellen immer die Machtfrage und sind mit der Demokratie unvereinbar, gab sich der Referent überzeugt. Bereits in der vorchristlichen Antike wurden Kulturkämpfe geführt: Der Athener Philosoph Sokrates wurde mit dem Schierlingsbecher hingerichtet, weil er die Athener Demokratie gefährdete, gab sich der Referent überzeugt. Das Christentum und der Islam waren immer wieder die Quelle von absurden und abstrusen Kulturkämpfen, die teils bis heute anhalten.

Der Referent verwies dabei auch auf den Lettner der Gelnhäuser Marienkirche: "Diesen kann man als ein Denkmal für die Kulturkämpfe des Hochmittelalters verstehen. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung standen die Franziskaner. Sie predigten Armut und verbündeten sich dabei mit einem der mächtigsten Politiker: dem Papst." Dirk Säufferer verwies auf seine gebundene Arbeit zum Lettner, die im September erschienen ist.

Ganz nebenbei wurde auch der Gelnhäuser Stadtname geklärt. Eine Wolfsangel wurde im Mittelalter eine "Geile" genannt. Die Geile war das Wappen der Forstmeister von "Geilenhusen". So kam die Geile in den Stadtnamen, aber über den Umweg Aufenau, wo die Forstmeister residierten, auch in das Wächtersbacher Stadtwappen. Eine ebenfalls plausible Erklärung des Stadtnamens geht auf "Geilin" zurück, also auf das "sprudelnde Wasser" der Quellen in der Gelnhäuser Oberstadt. Auch um die Wolfsangel werden Kulturkämpfe geführt. Rechtsextremisten versuchen, dieses uralte Wappensymbol für sich zu vereinnahmen. "Solche Dinge dürfen wir als Demokraten nicht zulassen", appellierte der Referent.

Was aber den aktuellen Kulturkampf um unsere Sprache betrifft, stellte der Referent noch einmal klar, wie man wertschätzend kommuniziert. "Sehr geehrte Damen und Herren", "Liebe Besucherinnen, liebe Besucher". In der Nennung beider natürlicher Geschlechter kommt die individuelle Wertschätzung aller zum Ausdruck. Dem gegenüber steht die generische, grammatisch geschlechtsneutrale Form: "Liebe Gäste, liebe Mitglieder, liebe Vorstände". Eine Teilnehmerin berichtete von einer Auseinandersetzung, weil sie sich als "Architekt" bezeichnete. "Genau das ist die geschlechtsneutrale, generische Form," erläuterte der Referent. "Sie meint niemand "mit", wie uns die Kulturkämpfer immer einbleuen wollen. Die generische Form "Architekt" bezeichnet vielmehr alle Menschen, die diesem ehrenwerten Berufsstand angehören. Ideologische Ansprachen dagegen spalten, meinen niemand und sind nicht wertschätzend.

Ein dringender Rat des Referenten lautete: "Keine Gegen-Kulturkämpfe entfachen." Wer auf Kulturkämpfe mit politischen Kampfbegriffen und Provokationen reagiert, betreibt das Geschäft der Kulturkämpfer und vertieft die Spaltung: "Wir dürfen das Vorgehen gegen die Kulturkämpfe nicht Extremisten überlassen. Das müssen wir als Demokraten schon alleine hinbekommen."